Die Geschichte Nordkoreas durch die Brille der Sowjets


Die Sowjetunion herrschte von 1945 bis 1948
drei Jahre lang über das nördliche Korea, und das kommunistische Nordkorea
wurde in hohem Maße durch Entscheidungen sowjetischer Funktionäre geprägt, die
damals die Verantwortung für das Land trugen. Trotz signifikanter Änderungen im
System bleibt es politisch nach wie vor ein weitgehend stalinistischer Staat.
Dieser Artikel soll dazu dienen, die Sowjetgeneräle vorzustellen, die damals
über Nordkorea herrschten.

Am 9. August 1945 griff die UdSSR das
japanische Kaiserreich an. Zwei Tage darauf landeten die ersten Truppen in
Korea. Die 25. Armee der 1. Fernostfront unter Generaloberst Iwan Tschistjakow
war für die Besetzung des Nordteils der koreanischen Halbinsel zuständig.

Iwan
Michailowitsch Tschistjakow (Иван Михайлович Чистяков)

Generaloberst,
befehlshabender Offizier der 25. Armee (ab April 1947)

Zwar war Generaloberst Tschistjakow der
offizielle Zuständige für den Norden Koreas, tatsächlich aber distanzierte er
sich von der Politik, nachdem die japanische Armee kapituliert hatte, und
übergab die Verantwortung für das Territorium seinen Untergebenen. Jedoch traf
er eine Entscheidung, die eine enorme Auswirkung auf die Geschichte Nordkoreas
haben sollte:

Ende August 1945 wurde Tschistjakow zu seinem
Vorgesetzten bestellt, Marschall Kirill Merezkow. Merezkow gab ihm den Auftrag,
einen Standort für das Hauptquartier der 25. Armee zu wählen, worauf sich
Tschistjakow für Pjöngjang entschied, weswegen Pjöngjang auch heute noch die
Hauptstadt Nordkoreas ist.

Der Fluss Taedong, Ursprung der
Taedong-Flusskultur, wird bisweilen von der nordkoreanischen Propaganda als eine
der „fünf alten Kulturen der Welt“ bezeichnet, zusammen mit Theben, Babylonien,
Mohenjo-Daro und Yinxu. Hätte Tschistjakow sich anders entschieden, ist es gut
möglich, dass die „Taedong-Flusskultur“ bedeutungslos geblieben wäre und
stattdessen etwa die „Songchon-Flusskultur“ beworben würde, nach dem Fluss der
Stadt Hamhung.

Terenti
Fomitsch Schtykow (Терентий Фомич Штыков)


Generaloberst,
Politoffizier der 1. Fernostfront, sowjetischer Botschafter in Nordkorea
       (ab September 1948)

Schtykow, der denselben Rang innehatte wie
Tschistjakow, war de facto der Machthaber Nordkoreas von 1945 bis 1950 und
formte Politik, Wirtschaft und Bildungssystem nach seinem Willen. Er
bearbeitete sogar einen ersten Entwurf der Verfassung und stellte das erste
Ministerkabinett zusammen. Politiker wie Kim Il Sung, Kim Tu Bong oder Pak Hon
Yong folgten damals lediglich Schtykows Befehlen.


Schtykow trägt zudem einen großen Teil der
Verantwortung für den Beginn des Koreakriegs: Obwohl die Idee, den Süden
anzugreifen, ursprünglich auf Kim Il Sung und Pak Hon Yong zurückgeht, war die
uneingeschränkte Unterstützung durch Schtykow der wohl ausschlaggebende Faktor,
dass auch Stalins Zustimmung für den Angriff gewonnen werden konnte.


Der Krieg verlief jedoch nicht so, wie
Schtykow es vorausgesagt hatte, denn der nordkoreanischen Armee gelang es
nicht, die gesamte Halbinsel unter ihre Kontrolle zu bringen. Als schließlich
der Großteil des nordkoreanischen Gebiets von UN-Truppen eingenommen worden
war, wurde Schtykow nach Moskau beordert. Seine Strafe war überraschend milde;
er wurde zum Generalleutnant degradiert und später aus dem aktiven Dienst
entlassen. Zwar blieb Schtykow in Kreisen der sowjetischen Elite, aber er
kehrte nach 1950 nicht mehr nach Korea zurück.

Nikolaj
Georgijewitsch Lebedew (Николай Георгиевич Лебедев)

Generalmajor,
Politoffizier der 25. Armee

General Lebedew war für die Ausbildung Kim Il
Sungs verantwortlich, und gemäß seiner Memoiren war er es, der den jungen Kim
zu dem berühmten Treffen brachte, wo der zukünftige Große Führer seine erste
öffentliche Rede hielt.

Nikolai Lebedew war auch derjenige, der
Nordkorea seinen offiziellen Namen gab, Demokratische Volksrepublik Korea. Er
glaubte, dass es in Anbetracht einer „Volksrepublik“, wie das Staatssystem
offiziell hieß, nur logisch sei, eine „Demokratische Volksrepublik“ als Ganzes
zu haben. Es dürfte wohl allgemeine Übereinstimmung darüber herrschen, dass die
dreifache Behauptung, das Land werde vom Volk beherrscht [„demokratisch“ und
„Republik“ tragen ebenfalls diese Bedeutung], doch etwas übertrieben ist.

Später gab der pensionierte General Lebedew
einige Interviews, in denen er über die Gründungsjahre Nordkoreas und seine
damalige Funktion sprach. Die Interviews waren erstaunlich objektiv, und
Lebedew versuchte weder seine eigene Rolle noch die der UdSSR schönzureden.

Andrei
Alexejewitsch Romanenko (Андрей Алексеевич Романенко)

Generalmajor,
Oberhaupt der sowjetischen Zivilverwaltung

Romanenko war Schtykows Untergebener und
Oberhaupt der „sowjetischen Zivilverwaltung“ [SCA], einer Organisation, die als
Prototyp der nordkoreanischen Regierung seit dem 3. Oktober 1945 tätig war und
die trotz ihres Namens ausschließlich aus Militäroffizieren bestand. Um den
Schein einer Demokratie zu erwecken, wurde auch eine „offizielle“ Regierung
aufgestellt, das „provisorische Volkskomitee Nordkoreas“. Jedoch verfügte diese
Körperschaft über keinerlei Eigenständigkeit und unterschrieb lediglich
Gesetze, die von Romanenkos SCA vorbereitet und eingereicht wurden. Ein
Beispiel dafür ist die Landreform von 1946, die Grundstückbesitzern und wohlhabenden
Bauern ihr Land entzog, um es ärmeren Bauern zu verpachten.

Gennadi
Petrowitsch Korotkow (Геннадий Петрович Коротков)


Generalleutnant,
befehlshabender Offizier der 25. Armee (April 1947 bis April 1948)


Korotkow übernahm das Kommando über die 25.
Armee im April 1947, und ähnlich wie Tschistjakow versuchte auch er, sich aus
politischen Angelegenheiten herauszuhalten. Es gelang ihm auch; nach
Kenntnisstand des Autors musste Korotkow keine wichtigen Entscheidung bezüglich
Nordkoreas treffen. Diese fielen Schtykow zu, der dann Korotkows Rang einnahm.


***


Nordkoreas offizielle Version der Ereignisse um
die Mitte der 1940er-Jahre wird in Kim Il Sungs Autobiographie „Mit dem
Jahrhundert“ dargestellt. Dieses Buch bietet eine verzerrte Sichtweise auf die
historischen Ereignisse, die er so umgeformte, dass sie zu Nordkoreas
Staatsideologie passen. So erinnert sich Kim Il Sung angeblich daran, wie er
noch vor dem sowjetisch-japanischen Krieg Moskau besuchte, um dort Schdanow,
Merezkow und andere hochrangige Offiziere zu treffen um mit ihnen Pläne zu
schmieden, wie man das japanische Kaiserreich in die Knie zwingen konnte. Kim
geht sogar so weit, dass er behauptet, Schdanows Angebot zur „Unterstützung für
das koreanische Volk zum Wiederaufbau nach der Befreiung“ abgelehnt zu haben.
Schtykow, Tschistjakow und Lebedew kommen zwar ebenfalls vor, werden aber
lediglich als Kims bereitwillige Assistenten dargestellt. In dem Text heißt es,
dass „[die] Befreiung Koreas […] lediglich durch die vereinte Kraft der
Koreaner selbst [erreicht wurde]“, also durch die „Koreanische Revolutionäre
Volksarmee“.


Die Ereignisse, wie man sie in „Mit dem
Jahrhundert“ lesen kann, fanden in der Form natürlich nie statt. Im Sommer 1945
war Kim Il Sung noch ein Hauptmann in der sowjetischen Armee, und er kämpfte auch
nicht im sowjetisch-japanischen Krieg. Die „Koreanische Revolutionäre
Volksarmee“ existierte überhaupt nie. Es stellt sich die Frage: Warum erwähnte
Kim überhaupt die Hilfe der Sowjets, wenn er sie doch gleich aus der Geschichte
hätte streichen können?


Die Antwort scheint, dass
die Halbwahrheit immer noch plausibler wirkt als eine komplette Lüge. Manche
Menschen in Nordkorea erinnern sich immer noch an die Anwesenheit der Sowjets
nach der japanischen Niederlage, und das Verneinen dieser Tatsache würde Gerüchte
anheizen und der Glaubwürdigkeit und Legitimation des Regimes schaden. Daher
werden die Sowjets lieber als Hilfskräfte Kim Il Sungs im Sieg über das
imperialistische Japan dargestellt, während er, der brillante Anführer mit
eisernem Willen, natürlich den größten Teil dazu beigetragen hat. Also ist es
nur richtig, ihn dafür zu lobpreisen.


* Die Ansichten unserer Gastkolumnisten
spiegeln nicht unbedingt die von Daily NK wider.