Behörden verhindern Familienbesuche nach China


Die Anzahl der Bewohner Nordkoreas, die ihre
Verwandten in China besuchen durften, ist im Vergleich zum Vorjahr erheblich
gesunken. Es handelt sich um einen weiteren Versuch des Regimes, den Kontakt
zur Außenwelt und ihrer Fülle an Informationen zu verhindern.

 

Eine Quelle aus China berichtete Daily NK am
22. August: „Im August finden für gewöhnlich keine großen Veranstaltungen in
Nordkorea statt, daher ist es in der Regel einfacher für die Leute, ihre
Familienmitglieder in China zu besuchen. Dieses Jahr scheint dies jedoch nicht
der Fall zu sein.“ Als möglichen Grund für den Rückgang führte sie an, es gäbe
„[…] Zeugenaussagen, dass die nordkoreanischen Behörden aktiv versuchen, die
Anzahl der Verwandtschaftsbesuche in China zu verringern“.

 

Nordkoreanern wurde es erstmals im Jahr 2000
gestattet, für Familienbesuche die Grenze zu überqueren, unmittelbar nach der
großen Hungersnot, die als „schwieriger Marsch“ bezeichnet wird. Da die
Behörden nicht mehr imstande waren, regelmäßige Essensrationen an das Volk zu
verteilen, gingen sie dazu über, die Bewohner ins Ausland zu schicken, „um sich
Hilfe zu suchen“. China war dabei natürlich naheliegend.

 

Die Währungsreform vom 30. November 2009
sollte eigentlich die steigende Inflation eindämmen, bewirkte aber das
Gegenteil, nämlich eine Hyperinflation. Die Einwohner gingen vermehrt dazu
über, ihre Verwandten in China ausfindig zu machen, da sie sich Unterstützung
im Kampf gegen die zusätzlichen finanziellen Nöte erhofften. Die Folgen der
100:1-Redenominierung steigerten das Misstrauen in die Behörden, und eine
Massenpanik brach aus. Die meisten Nordkoreaner konnten nur hilflos dabei
zusehen, wie ihre hart erarbeiteten Ersparnisse über Nacht zu wertlosem Papier
wurden.

 

Die diesjährige Situation unterscheidet sich
grundlegend, erklärte die Quelle. Aktuell sind es täglich im Durchschnitt fünf
Personen, die durch das Zollhaus von Dandong nach China gelangen. In
vergangenen Jahren jedoch passierten an manchen Tagen zwischen 50 bis 100
Nordkoreaner den Zoll – ein Hinweis darauf, dass die nordkoreanischen Behörden
die Erteilungen von Besuchsvisa drastisch reduziert haben.

 

Ein ähnlicher Rückgang war kurz nach den
Feierlichkeiten zu Kim Il Sungs Geburtstag am 15. April 2014 zu verzeichnen:
Der tägliche Durchschnitt betrug rund zehn Personen. Es ist die arbeitsreichste
Zeit in Nordkorea, da die Reis-Anbausaison von Mai bis Juni dauert und die
gesamte Bevölkerung für landwirtschaftliche Arbeit mobilisiert wird, was die
wenigen Reisenden erklärt.

 

„Es gibt zwar immer noch Nordkoreaner, die nach
China gelangen, jedoch sind dies meist Geschäftsleute oder Händler. Gewöhnliche
Reisende sind nirgendwo zu sehen. In Anbetracht der vielen Leute, die sonst jedes
Jahr nach dem ‚Tag des Sieges’ [Feier am 27. August zum Anlass der
Unterzeichnung des Waffenstillstands im Koreakrieg 1953, der vom Norden als
Sieg aufgefasst wird] ins Land strömen, ist das sehr ungewöhnlich“, meinte die
Quelle.

 

Nach Ansicht der Quelle handelt es sich dabei
nicht um eine gewöhnliche Abweichung von der Norm, sondern um eine gezielte
Maßnahme des Regimes, das erneut Zuversicht in seine wirtschaftliche Lage
gewinnt: In diesem Jahr wurde ein neuer Rekord der Handelsaktivität zwischen
Nordkorea und China gebrochen, und die Marktpreise im Land sind relativ stabil
geblieben. Anstatt Hilfe im Ausland zu suchen, möchten die Behörden ihre
Anliegen im eigenen Land regeln, um gleichzeitig auch den Ruf Nordkoreas im
Ausland verbessern zu können.

 

Insbesondere die Gefahr, dass sich
Nordkoreaner in China fremden Informationen aussetzen könnten, hat dazu
geführt, dass das Regime seine Bereitschaft zur Hilfesuche im Ausland erst
einmal ausgesetzt hat. Denn mögliche Zusatzgewinne sind das Risiko einer Abkehr
von der Staatsideologie dann doch nicht wert.

 

„In der Vergangenheit musste man lediglich den
Sicherheitsdienst mit einer angemessenen Summe bestechen, damit bei
christlichen oder anderen vom Ausland beeinflussten Aktivitäten ein Auge
zugedrückt wurde. Doch heute ist es sicher, dass man dabei verhaftet wird“,
erklärte die Quelle. Da die Machthaber sich der Auswirkungen fremden Denkens
nun bewusst sind, haben ihre Bemühungen zur Eindämmung des Problems zugenommen:
„Heute sind es so viele, die gar nicht mehr [nach Nordkorea] zurückkommen, dass
die Behörden noch größere Probleme als ohnehin schon befürchten, sollten sie es
den Leuten erlauben, [nach China] zu gehen.“

 

„Die Kontrolle der Grenzen sowie der
Auslandstelefonate ist so viel strenger geworden, seit Kim Jong Eun an der
Macht ist. Der letzte dieser Reihe von Versuchen der Gedankenkontrolle ist das
Beseitigen aller Möglichkeiten für Nordkoreaner, ihre Verwandten in China zu
besuchen“, folgerte sie daraus.

 

Für die nächsten Feiertage – den Tag der Staatsgründung
am 9. September sowie den Tag der Gründung der Partei der Arbeit Koreas am 10.
Oktober – wird erwartet, dass noch weniger eine Erlaubnis zu Familienbesuchen
in China erhalten werden. Obwohl stets die Möglichkeit besteht, dass die
Bedingungen nach einem Großereignis wieder gelockert werden, wird dieser
Abwärtstrend voraussichtlich weitergehen.